Berufstätigkeit und Pflege – eine wachsende Herausforderung
Die demografische Entwicklung führt dazu, dass der Anteil pflegebedürftiger älterer Menschen schnell wächst – immer mehr Beschäftigte stehen deshalb jetzt oder in naher Zukunft vor der Aufgabe, ihre Berufstätigkeit mit der Pflege Angehöriger zu arrangieren. Eine aktuelle Studie zeigt, dass vor allem Frauen sich in der Pflege von Eltern und Schwiegereltern engagieren.

Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl der Pflegebedürftigen mit einer Pflegestufe nach Angaben des Statistischen Bundesamtes auf 2,9 Millionen anwachsen, im Jahr 2030 werden es bereits 3,37 Millionen sein.
Heute werden mehr als 70 Prozent der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege versorgt, davon 67 Prozent allein durch die Angehörigen und 33 Prozent unter Zuhilfenahme eines Pflegedienstes.

Pflegesensible Unternehmenskultur unterstützt Beschäftigte mit Pflegeaufgaben
Arbeitgeber können Beschäftigte mit Pflegeaufgaben in vielen Bereichen unterstützen. Zum Beispiel mit Informationsmaterial zu organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Fragen der Betreuung von Angehörigen sowie zu Unterstützungs- und Beratungsmöglichkeiten vor Ort.
Wichtig ist außerdem eine Unternehmenskultur, in der pflegende Beschäftigte kein „Störfaktor“ sind. Denn oft scheuen sich Betroffene, ihre familiäre Situation zu thematisieren. Sie fürchten, als schwierig zu gelten oder Karrierenachteile zu erleiden. Eine offensive Kommunikation der Angebote trägt daher dazu bei, das Thema zu enttabuisieren und die Beschäftigten zu ermutigen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Führungskräfte sollten in Vorträgen oder Seminaren für die besondere Problematik der Pflege sensibilisiert und geschult werden, zum Beispiel zu Themen wie Stresserkennung. Führungskräfte lernen Faktoren kennen, die auf persönliche Krisensituationen von Beschäftigten hinweisen und erfahren mehr über konkrete Lösungsansätze. Zudem erfahren sie hier mehr über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen.

Beratungs- und Informationsangebote für pflegende Berufstätige
Die plötzliche Pflegbedürftigkeit eines Angehörigen oder die Veränderung einer Pflegebedürftigkeit überfordern viele Betroffene. Das macht sich oft auch im Beruf bemerkbar – die Leistungsfähigkeit sinkt.
Es liegt daher im Eigeninteresse des Unternehmens, dass die oder der Betroffene schnell eine tragfähige Lösung findet. Beratung und Information helfen, die Suche nach passenden Pflegearrangements zu verkürzen und zu verbessern – und tragen so dazu bei, dass die Betroffenen sich früher und unbelasteter wieder auf ihre Berufstätigkeit konzentrieren können.
Inhouse-Seminare bieten allgemeine Informationen rund um rechtliche und finanzielle Fragen und unterstützen die Vernetzung mit außerbetrieblichen Anlaufstellen wie Sozialstationen, Altenhilfen, Pflegeeinrichtungen oder ambulanten Diensten.
Darüber hinaus könnten Rahmenvereinbarungen zwischen Unternehmen und Pflegedienstleistern geschlossen werden, wie sie in der Kinderbetreuung bereits erfolgreich praktiziert werden, zum Beispiel in Form von Belegplätzen in Tageseinrichtungen für Demenzkranke.

Flexible Arbeitsbedingungen
Weil Dauer, Verlauf und Aufwand der Betreuung von Angehörigen nur in den seltensten Fällen absehbar sind, sind vor allem flexible Arbeitszeiten eine wichtige Hilfe: Sie erleichtern es betroffenen Beschäftigten, ihre Arbeit mit den eher unflexiblen Pflegeaufgaben zu vereinbaren.
Zu den Angeboten zählen zum Beispiel
Arbeitszeitkonten
Auf einem Lebensarbeitszeitkonto können Beschäftigte entsprechend individueller Lebensphasen über dieses Konto zusätzlich geleistete Zeit ansparen und aufbrauchen, indem sie ihre Arbeitszeit wieder reduzieren. Die Ausgestaltung dieses Modells erfolgt zumeist über individuelle Absprachen. Lebensarbeitszeitmodelle sind nicht für die tägliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf gedacht, sondern sollen größere Freiräume für arbeitsfreie Zeiten ermöglichen. Für temporäre Aufgaben wie die Betreuung eines Kleinkinds oder die Pflege eines Angehörigen sind Lebensarbeitszeitkonten sehr geeignete Instrumente, die dank des langfristigen Ansatzes Unternehmen eine gute Basis für eine effiziente Personalplanung bieten.
Gleit- und Teilzeitmodelle
In Gleitzeit können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rahmen bestimmter Regeln Beginn, Ende und gegebenenfalls auch die Länge der Arbeitszeit selbst bestimmen. Gleitzeit verschafft Beschäftigten und Unternehmen mehr zeitliche Flexibilität, denn beide Seiten können bedarfsorientierter agieren. Durch Gleitzeit können Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer Zeitreserven ansparen und diese später für mehr Urlaub oder einen längeren Freizeitblock nutzen. Wichtig ist die Einführung von Arbeitszeitkonten, um die Gleitzeit zu dokumentieren.
Unter Teilzeit wird jedes Arbeitsverhältnis verstanden, dessen Arbeitszeit geringer ist als die betrieblich vereinbarte Regelarbeitszeit. Das Spektrum reicht dabei von zeitlich sehr geringen bis zu vollzeitnahen Beschäftigungsverhältnissen (über 30 Stunden). Auf Grundlage einer vereinbarten Jahresarbeitszeit kann eine gleichbleibende Anzahl von Wochenstunden gearbeitet, aber auch eine sehr ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit über das Jahr gewählt werden. Außerdem kann Teilzeit einen raschen Wiedereinstieg in den Beruf ermöglichen, zum Beispiel nach einer Geburt. Dadurch sinken sowohl die Wiedereingliederungskosten für das Unternehmen als auch die finanziellen Einbußen für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer.
Home-Office
Häufig werden innerhalb eines Arbeitszeitmodells bestimmte Tage in der Woche als Home-Office-Tage festgelegt, während die restliche Zeit am eigentlichen Arbeitsplatz gearbeitet wird. Home-Office ist sehr gut geeignet, um Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, da die Beschäftigten während ihrer Arbeit auch zu Hause präsent sein können und Wegezeiten erspart bleiben. Vor allem in Verbindung mit einem flexiblen Arbeitszeitmodell ist Home-Office ein geeignetes Instrument für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. So kann bei Bedarf die Arbeit auch zu ungewöhnlichen Zeiten erledigt werden.
Jobsharing
Jobsharing ist ein Modell, bei dem ein Arbeitsplatz in der Regel durch zwei Beschäftigte wahrgenommen wird, die entsprechend in Teilzeit arbeiten. Die jeweiligen Arbeitszeiten werden durch die beiden Jobsharer festgelegt, dabei sollte das Pensum langfristig weitgehend gleichmäßig verteilt sein. Das Modell ermöglicht es, auch verantwortungsvolle Aufgaben in einer abgestimmten Teilzeitlösung zu übernehmen. Damit ist Jobsharing insbesondere für Führungskräfte interessant, da sie auch in verminderter Arbeitszeit in ihren Positionen bleiben können. Unternehmen profitieren vom Jobsharing, da neben der durchgängigen Ansprechbarkeit die Talente und Fähigkeiten zweier Personen für eine Position genutzt werden können.
Je nach Pflegebedarf des Angehörigen sind aber auch vorübergehende Arbeitszeitreduzierungen, Sonderurlaub oder Freistellungen wichtige Maßnahmen. Gerade zu Beginn der Pflege brauchen die Angehörigen meist Zeit, um sich zu informieren und in der neuen Situation zurechtzufinden.
Weitere Tipps und Informationen rund um das Thema Vereinbarkeit von Pflege finden Sie hier
Links
- Servicetelefon und Informationsportal „Wege zur Pflege“
- Informationen des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zur Familienpflegezeit
- Informationen zum Familienpflegezeitgesetz auf der Website des BMFSFJ
- Der Bereich Pflege auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit
- Informationen zur Pflegeversicherung auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit
- Informationen rund um die Vereinbarkeit von Beruf und Familienaufgaben sowie Pflegeaufgaben auf der Website des Deutschen Gewerkschaftsbunds
- Publikationen aus dem Bereich Pflege des Statistischen Bundesamtes
- Pflegestützpunkte: Kontaktdaten zur Pflegeberatung für gesetzlich Versicherte auf der Website des Zentrums für Qualität in der Pflege: Pflegestützpunkte beraten hilfe- und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Sie unterstützen in allen Fragen rund um das Thema Pflege.
- Checkliste für die Pflegeheimauswahl auf der Website des Zentrums für Qualität in der Pflege
- Heimverzeichnis: Suche und unabhängige Bewertung von Heimen, Pflegeheimen, Seniorenheimen
- Carers@work: Europäischer Vergleich der Strategien zur nachhaltigen Sicherung zukünftiger Pflege und Produktivitätspotenziale
- Informations- und Beratungsangebote, Pflegetraining und Veranstaltungen zum Thema Beruf und Pflege – Praxisimpulse Lokaler Bündnisse für Familie
- Arbeiten - Pflegen - Leben: Website des Ennepe-Ruhr-Kreises mit guten Beispielen und Publikationen
- www.wir-pflegen.net
- www.berlin.de/pflege
- www.deutsche-alzheimer.de
- www.pflegebegleiter.de
- www.pflegenetz.sachsen.de
- www.serviceportal-zuhause-im-alter.de
- www.wegweiser-demenz.de
Informationsmaterialien
- Broschüre: „Vereinbarkeit von Beruf und Pflege – Wie Unternehmen Beschäftigte mit Pflegeaufgaben unterstützen können“
- Flyer: Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf - Neue gesetzliche Regelungen seit 1. Januar 2015
- Broschüre: Bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf - Neue gesetzliche Regelungen seit 1. Januar 2015
- Broschüre: „Auf der Suche nach der passenden Wohn- und Betreuungsform – Ein Wegweiser für ältere Menschen“
- Broschüre der Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“: Nachhaltige Familienzeitpolitik gestalten - Wege für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflegeaufgaben finden
- Broschüre: „Länger zuhause leben“
- Factsheet des Netzwerkbüros: Fakten zum Thema Beruf und Pflege
- Dokumentation der Multiplikatorenveranstaltung 2010 „Beruf und Pflege – Trend oder Tabu“ von „Erfolgsfaktor Familie“ am 2. Dezember 2010
- Checkliste: Was tun, wenn Beschäftigte einen Angehörigen pflegen müssen?
- Demografischer Wandel in Deutschland – Heft 2: Publikation der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, die einenÜberblick über die voraussichtliche Entwicklung der Bevölkerung im höheren Alter in Deutschland gibt sowie die möglichen Auswirkungen auf die Anzahl der Pflegebedürftigen erörtert